Man merkt nichts davon auf den Straßen und Plätzen, aber die Welt hat sich doch verändert in den letzten Tagen. Sie ist zusammengerückt, heißt es. Und das stimmt trotz des entsetzlichen Anlasses, der uns alle aufgewühlt hat. Es stimmt für die Politiker, die sich in Paris bei der größten Demonstration seit Jahrzehnten untergehakt haben (und hoffentlich nicht nur in Frankreich die Meinungsfreiheit gut finden, sondern auch zu Hause in Russland, in Ägypten, in der Türkei und in Ungarn!). Und es stimmt für die allermeisten Menschen in Europa. Für die Millionen, die in Frankreich auf die Straße gingen, und für Zehntausende in Deutschland.
Aber wir wurden uns auch unserer Verletzlichkeit bewusst. Wie bei jedem Terroranschlag. So war das schon beim Olympia-Attentat (in München!) und beim Anschlag aufs Oktoberfest (schon wieder : München!). Nach dem bundesweiten Terror der Rote Armee Fraktion. Nach dem 11. September in den USA und nach den nationalsozialistischen Morden (zum Teil in München). Immer wieder mussten wir dieselben Quellen des Terrors erkennen: Fanatismus, ideologische Entgleisung (egal in welche Richtung), Hass und Menschenverachtung, kriminelle Energie, Mordlust.
Da grenzt es an ein Wunder, dass die Menschen sich weder einschüchtern und mundtot machen ließen noch nach dem starken Mann und dem Ende der Liberalität verlangten. Im Gegenteil: Engagierte Bürger stellten den Hasspredigern jeglicher Couleur ihr Bekenntnis zu friedlicher Vielfalt entgegen. Verteidigten Meinungsfreiheit und Weltoffenheit. Da brach nicht die Eiszeit aus, die Terroristen herbei schießen wollen, sondern es begann ein demokratischer Frühling. Wer am Sonntag auf dem Odeonsplatz dabei war und am Montag vor dem Sendlinger Tor auf der richtigen Seite stand, hat viel für das politische Klima getan. Wer aber Nazis nachgelaufen ist, die das schlimmste Terrorregime unserer Geschichte verherrlichen und selber in Gewaltakte verwickelt sind, kann nie mehr den unschuldigen Biedermann mimen. Tage, die die Welt verändern.