Liebe Gundel,
verehrte Angehörige von Joachim Fuchsberger, liebe Trauergemeinde.
Obwohl wir schon längere Zeit von den schweren gesundheitlichen Problemen wussten, die Joachim Fuchsberger zunehmend zu schaffen machten, hat uns die Nachricht von seinem Tod bestürzt – wussten wir doch auch von seinen Plänen, noch mehr zu Papier und vor allem auf die Leinwand zu bringen. Vor allem haben Millionen Menschen im Lande seinen Tod als persönlichen Verlust empfunden – so präsent war er auf dem Bildschirm und auf der Leinwand, auch auf der Bühne und in seinen Büchern, die uns mit einer im Show-Geschäft ungewöhnlichen Nähe, Vertrautheit und Ehrlichkeit an den Freuden und Leiden seines Alters teilnehmen ließen. Blacky gehörte einfach dazu zu unserem Leben, und das über viele Jahrzehnte hinweg, in denen er einerseits sich und seinen Maßstäben immer treu geblieben ist, andererseits immer mehr wachsen durfte, in seiner Lebensleistung und Persönlichkeit immer imposanter wurde.
Lieber Blacky, Du hast es Dir, was die letzten Dinge betrifft, nie leicht gemacht, uns aber auch nicht uns, die wir Dich alle mochten und schätzten, verehrt und geliebt haben und Dich jetzt schmerzlich vermissen. Du hast keine religiösen Gewissheiten gehabt, hast Dich nicht damit trösten wollen und auch keinen Trost dieser Art hinterlassen. Nein, hast Du sogar in einem Fernseh-Interview gesagt, Du kannst nicht daran glauben, im Jenseits wieder Tommy zu begegnen und damit die größte Katastrophe, die Gundel und Du erleiden musstet, wenigstens nach dem Tod relativieren zu können. Du hast überhaupt nicht an ein Leben nach dem Tod glauben können oder glauben wollen. Du warst bekennender Agnostiker – auch im Angesicht des nahenden Todes. Dies muss jeder respektieren, der Dich und Dein Lebenswerk respektiert. So soll auch die Stunde des endgültigen Abschieds nicht in ein Licht getaucht werden, das Du nicht sehen konntest oder wolltest. Gläubige Menschen hadern damit, dass bei Trauerfeiern oft gesagt wird, der Verstorbene werde weiterleben – und zwar im Gedächtnis aller, für die er bedeutsam war. Für gläubige Menschen geht diese Aussage am wesentlichen Kern vorbei.
Aber ich denke, dass Du Dir nur diese Art des Weiterlebens hast vorstellen können – und dass es für Dich stets durchaus ein Trost war, im Gedächtnis eines Millionen-Publikums präsent zu bleiben, dem Du so viel hast geben dürfen.
87 Jahre bist Du geworden, ein wahrhaft stolzes Alter, und jahrzehntelang hast Du uns, Dein Publikum, begleitet. Die erste Begegnung war ein filmischer Rückblick auf die schrecklichen Zeiten des Leidens unter dem Barras und unter dem Krieg – nach der Roman-Trilogie von Hans Hellmut Kirst
„08/15“. Das war ein grandioser Start einer Schauspieler-Karriere, aber Du selbst hast am Nüchternsten die Ursachen des Erfolgs analysiert: Du bist ausgewählt worden, gerade weil Du noch unbekannt warst, ein „unverbrauchtes Gesicht“ und damit eine ideale Projektionsfläche für Millionen Soldaten, die in die Militärmaschinierie hineingezogen worden waren und damit fertig werden mussten, ohne Nazis zu sein oder aber Widerstandskämpfer nicht in der Lage, sich dem Missbrauch zu entziehen, aber durchaus bemüht, anständig zu bleiben und den Vorgesetzten Grenzen zu zeigen, trotz aller Abhängigkeit. Das war mehr als eine schauspielerische Rolle, das war ein Bild, wie eine Männergeneration sich sah und gesehen werden wollte.
Typisch für den Zeitgeist war auch Deine Mitwirkung in den Heimatfilmen der 50er Jahre – voller Sehnsucht, ein sorgloses Leben in einer im Grunde heilen Welt führen zu können, nachdem man eben erst in die Abgründe hat hinabblicken müssen. Zum Glück hast Du mir nie übel genommen, die meisten dieser Filme nie gesehen zu haben. Das wurde erst anders, als Du Inspektor in London wurdest, in den schaurig-schönen, gelegentlich gruselig-spannenden Edgar-Wallace-Verfilmungen. Mit unvergesslichen Szenen in schwarz-weiß. Es war unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein – und von Blacky nicht begeistert. Du wurdest – schon zum wiederholten Male – Kult.
Wenn in einer historischen Sendung nochmals Deine Stimme als Stadion-Sprecher der Olympischen Spiele 1972 zu hören ist, bekommen alle Zeitzeugen eine Gänsehaut. Alle Gefühle der Begeisterung, dass dies heitere Spiele werden sollten und anfangs auch waren, werden ebenso wieder lebendig wie das Entsetzen und die Trauer über den terroristischen Anschlag. Du hast weitergemacht, mit kräftiger Stimme und in einer Krisensituation, in der es auf Deine richtige Einschätzung ankam, Nervenstärke und Souveränität bewiesen – und damit Panik und Chaos im Stadion abgewehrt. So bleibt auch der Aufbruch in die olympische Moderne mit Deiner Person engstens verbunden.
Für die Fernseh-Nation bist Du dann der Talkmaster schlechthin geworden, in der Talkshow „Heut‘ Abend“ das Musterbeispiel eines freundlichen, kultivierten, gut vorbereiteten, schlagfertigen und witzigen Gastgebers, der immer wieder für Spannung und Unterhaltung sorgt, aber nie seine Gäste bloßstellt oder sein eigenes Niveau verrät. Wer Dein Gast war, hat spätestens hinterher nur mit großer Wertschätzung von Dir gesprochen – und Du hattest alle zu Gast, die man sich als Gastgeber wünscht, so wie Du vorher mit prominentesten Show-Größen gefilmt hast. Aber dabei bist Du in geradezu ernüchternder Weise bescheiden geblieben. Als Du am Rande von Dreharbeiten mit Romy Schneider baden gegangen bist, hast Du hinterher selber das prosaische Ende an die große Glocke gehängt: Du hast Dich nicht getraut, vom Sprungbrett ins Wasser zu hüpfen, weil Du plötzlich kleine Fische gesehen hast, die Dich so erschreckten, dass Du den Rückzug antreten musstest. Und über die zahllosen guten Bekanntschaften in der Medienbranche hast Du selber in einem Fernseh-Gespräch gesagt, dass da keine Freundschaft im anspruchsvollen Sinn des Wortes dabei gewesen sei. Das war schonungslose Ehrlichkeit, kein Show-Geschäft.
Wir haben uns erst spät persönlich kennengelernt, auf Deine Initiative, und die erste Begegnung ist mir unvergesslich geblieben. Du kamst zusammen mit James Bond Roger Moore ins Rathaus, um die Stadt für eine Partnerschaft mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zu gewinnen. Ich hatte den Balkon im Rathausturm als kleinsten Biergarten der Stadt herrichten lassen und war sehr aufgeregt, weil ich Roger Moore auf englische Fragen auch englische Antworten geben musste. Nach geraumer Zeit hast Du geradezu schwärmerisch gesagt: „ Das waren noch Zeiten, als während der Olympischen Spiele der Oberbürgermeister sich persönlich um die Getränke gekümmert hat.“ Roger Moore bekam nur mit, dass das Gespräch plötzlich auf Olympia und die herausragende Rolle des Oberbürgermeisters gekommen war, aber mir wurde schlagartig bewusst, dass ich endlich einschenken sollte. Du warst eben auch als Gast sehr galant – und für Unicef haben wir dann zwei Jahre später 1996 ein ganzes Jahr lang eng zusammengearbeitet, immer wieder Veranstaltungen gemacht, über die Nöte der Kinder aufgeklärt und Geld gesammelt. Das war Dir – wie man so flach sagt – ein echtes Anliegen, genauso wie Dein Engagement für die Aborigines, deren Heimat in Australien Du mit Grundel und Tommy oft besucht und gefilmt hast, 15 Jahre lang, was die Dokumentarreihe „Terra Australis“ wunderbar belegt. Ihr wart eine Familie von Weltbürgern, die bekanntlich immer nicht nur Neuland entdecken wollen, sondern gleichzeitig auch in der eigenen Heimnat die Wurzeln immer tiefer senken können.
Da schmerzt es jetzt, dass Gundel und Du die diamantene Hochzeit nicht mehr gemeinsam feiern könnt, wie es für den 2. Dezember vorgesehen und bereits eingeladen war. Was seid Ihr über sechs Jahrzehnte hinweg für ein wunderbares Paar gewesen, das alles, buchstäblich alles gemeinsam erlebt und besprochen, gestaltet und gemeistert hat, einander die wichtigste Stütze war, wechselseitig Kraft und Liebe offensichtlich ohne Unterlass geben konnte. Nur bei Tommys Tod, den wir 2010 hier im selben Saal beklagt haben, schien Eure Kraft bis zur Grenze gefordert. Und dennoch habt Ihr in den Zeiten des hohen Alters noch viel ermöglicht: Nach den beeindruckenden Auftritten als „Priestermacher“, Deine ergreifenden, weil schonungslos ehrlichen Bücher und die zwei Filme, in denen Du als Altrocker aus dem Altenheim der jüngeren Generation nachdrücklich reingewürgst, dass ihre Abschiebepraxis unmenschlich und ihre betuliche Bevormundung unerträglich ist. Du warst kraftvoll bis zum Schluss. Wie es am Ende Deines Buches „Alt werden ist nichts für Feiglinge“ heißt: „Ich gehe langsam. Die letzte Hürde kommt in Sicht. Wenn sie da ist, werde ich hoffentlich mit Mut und Anstand springen.“
Lieber Blacky, in unserer Erinnerung lebst Du schon fort – und unsere Gefühle sind bei Deiner Gundel und Deinen Angehörigen.