Vorgestern, am Mittwoch, soll in München „ein schlechter Tag für die Demokratie“ gewesen sein. Sagte eine Initiative, die in der Presse breit zitiert wurde. Gerade so, als ob wichtige Freiheitsrechte abgeschafft worden wären. Aber was war wirklich geschehen? Der Stadtrat hat nach einer monatelangen öffentlichen Diskussion mit einer sehr großen Mehrheit einen Beschluss bestätigt, der vor gut zehn Jahren schon einmal gefasst wurde. Das Rathaus will – in voller Übereinstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde – öffentlichen Grund und Boden nicht dafür zur Verfügung stellen, dass ein Künstler und seine Mitstreiter dort zum Gedenken einzelner Nazi-Opfer „Stolpersteine“ verlegen. Stadtrat wie Kultusgemeinde finden, dass das Gedenken „nicht im Straßenschmutz“ stattfinden soll, wo man buchstäblich „darüber hinweggeht“ oder es sogar „mit Füßen tritt“.
Ich finde, dass dies schon Grund genug für eine Ablehnung ist. Oder soll ausgerechnet beim Gedenken an die Opfer des Holocausts die Auffassung der jüdischen Gemeinschaft unserer Stadt vom Tisch gewischt werden und der Stadtrat gegen sein eigenes Empfinden votieren? Das darf doch nicht wahr sein!
Hier will niemand etwas vergessen oder verdrängen, wie immer wieder bösartig unterstellt wird. Die Kultusgemeinde hat in ihrem eindrucksvollen „Gang der Erinnerung“ zwischen Synagoge und Gemeindezentrum die Namen ALLER jüdischen Opfer in München aufgeführt, und zwar auf Augenhöhe, und der Stadtrat plant dies in Nähe des Doku-Zentrums nochmals auf öffentlichem Grund. So, denke ich, gehört sich das. Aber die „Stolpersteine“ werden nur für einen Bruchteil der Opfer verlegt, bislang in Europa EIN Prozent. Ist das eine würdige Form des öffentlichen Gedenkens an ALLE Opfer, für die der Stadtrat die politische Verantwortung übernehmen kann?
Aber die Befürworter wollen unbedingt diese Form durchsetzen und akzeptieren keine Alternative. Sie wollen den Stadtrat zwingen, die Kultusgemeinde vor den Kopf zu stoßen. Kann das zu würdigem Gedenken führen? Obwohl die Befürworter sich selber bewusst über die Rechtslage hinwegsetzten, als sie gegen den ausdrücklichen Stadtratsbeschluss die ersten Steine auf städtischem Grund verlegten, wollen sie jetzt gegen den Stadtrat vor Gericht ziehen. So wird also vielleicht auch die nächsten Jahre mehr von diesem Streit als von den Opfern die Rede sein. Schade.