Für mich beginnt jede Radfahrt an der Ursula-Kirche. Mit ihrer die Stadtsilhouette prägenden Kuppel und ihrem italienischen Kampanile. Ein herrlicher Bau. Unten aber eher langweilig. Jedenfalls habe ich es über ein halbes Jahrhundert so empfunden, schon auf dem Schulweg zum Gymnasium. Eine breite Treppe mit etlichen Stufen, davor ein fast immer völlig leerer Platz. Und auf den Bänken rechts und links der kahlen Fläche saß nur selten jemand. Ziemlich fad.
Aber jetzt? Bereits bei den ersten Frühlingsstrahlen und noch bei der letzten Herbstsonne sind die Stufen bevölkert, herrscht eine gesellige und entspannte Atmosphäre. Gläubige bleiben nach einem kurzen Kirchenbesuch dort sitzen, Nachbarn essen ihr Eis, die Bewohner des Studentenheims nebenan versammeln sich, Hunde lassen sich streicheln, Kinder spielen, Passanten machen kurz Rast. Da möchte man gleich das Rad abstellen und ein bisschen mit ratschen.
Wie dieses „Kommunikationszentrum“ entstanden ist? Einfach so. Von allein. Ohne Wichtigtuer, die „den Platz bespielen“. Ohne Geschäftsleute, die was verkaufen wollen. Ohne Partyvolk, das mit Lärm die Nachbarn verärgern würde. Der früher meist tote Platz lebt. Von allein. Wie heißt es am Schluss eines berühmten Schwabing-Gedichts von Erich Mühsam? „Zwar ist dies nichts Besunderes. Ich aber, ich bewunder‘ es!“